Der Einfluss einer frühen sicheren Bindung auf die Entwicklung eines Kindes

Welche Faktoren tragen zu einer gesunden Bindung bei? Karin und Klaus E. Grossmann haben in fast 40-jähriger Arbeit neben eigener Längsschnittlicher Bindungsforschung nicht nur mit den weltweit führenden Bindungsforschern zusammengearbeitet, sondern sich auch intensiv mit deren Modellen auseinandergesetzt. Sie fassen ihre Absicht so zusammen:

Im Gefüge psychischer Sicherheit spielen Freude, Zärtlichkeit, behutsamer, entgegenkommender und rücksichtsvoller Umgang miteinander – kurz Liebe – eine zentrale Rolle. Wir wollten die Bedingungen in Familien erforschen, die eine seelisch gesunde, psychisch sichere Entwicklung ermöglichen. (21)

 

In diesem Gefüge spielen beide Eltern die wesentliche Rolle, nicht nur für seine frühe Entwicklung, sondern „auch im Bereich seiner späteren kognitiven, sprachlichen und kulturellen Entwicklung.“ (54)

Die Bindungstheorie definieren sie als „umfassendes Konzept für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen als Folge seiner sozialen Erfahrungen.“ (65) Als erstrebenswerter Zustand gilt die „Autonomie in Verbundenheit“ (39). Die Bindungsperson als Ort der Entspannung und Sicherheit (41) hat eine doppelte Funktion: Sie gewährt Schutz bei Verunsicherung und gibt Rückhalt beim Explorieren. (54) Das Kind gleicht einem offenen Programm, das darauf angewiesen ist, „im Rahmen von Bindungsbeziehungen eingespielt zu werden“ (63).

Der Hauptfaktor für eine gesunde Bindung ist eine „kontinuierliche und feinfühlige Fürsorge“ (67). Hauptkriterium für diese Feinfühligkeit ist der Umgang der Eltern mit negativen Gefühlen des Kindes (89). Das Kind äussert seine Emotionen, die von der Bindungsperson feinfühlig beantwortet werden. Die Erfahrungen aus den Interaktionen werden allmählich verinnerlicht (55). Grossmann & Grossman haben mit ihren Langzeitstudien v. a. den Einfluss einer frühen sicheren Bindung auf die Entwicklung eines Kindes nachgewiesen.

Quelle: Karin Grossmann. Klaus E. Grossmann. Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit. Clett-Cotta: Stuttgart 20082.

Gretchenfrage: Wer ist feinfühliger mit einem Kleinkind – die Mutter oder eine professionelle Betreuungsperson? Ainsworth hat das Konzept der Feinfühligkeit übrigens nicht im hoch-zivilisierten Westeuropa entwickelt, sondern bei Naturvölkern.