Warum der Mensch sich zerstreuen muss

Blaise Pascal beschreibt im Fragment 139 seiner Pensées meisterhaft den Zwiespalt des gefallenen Menschen. Weil er zutiefst ein Empfinden dafür hat, muss er sich zerstreuen:

Daher kommt es, dass die Menschen so sehr den Lärm und die Bewegung lieben. Daher kommt es, dass das Gefängnis eine so schreckliche Strafe ist. Daher kommt es, dass die Freude an der Einsamkeit etwas so Unbegreifliches ist. …Die Menschen, die von Natur ihren Zustand empfinden, vermeiden ja auch nichts so sehr wie die Ruhe. Es gibt nichts, das sie nicht tun, um die Unrast zu suchen. Nicht als ob sie nicht einen Instinkt hätten, der sie die wahre Seligkeit erkennen lässt. … Sie bilden sich ein, wenn sie dieses oder jenes Amt erlangt hätten, dann würden sie in Freude ausruhen, und spüren nicht die unersättliche Natur ihrer Gier. Sie glauben aufrichtig, die Ruhe zu suchen, und suchen in Wirklichkeit die Unrast.

Sie haben einen geheimen Instinkt, der aus dem Verdruss über ihr unaufhörliches Elend kommt und sie dazu treibt, draussen Zerstreuung und Betätigung zu suchen; und sie haben einen anderen geheimen Instinkt, der von der Grösse ihrer ersten Natur übrig ist, der sie erkennen lässt, dass das Glück in Wirklichkeit nur in der Ruhe ist und nicht im Tumult; und aus diesen beiden entgegengesetzten Instinkten bildet sich in ihnen ein verworrener Trieb, der sich ihrem Auge in der Tiefe ihrer Seele verbirgt; der treibt sie dazu, durch die Unrast zur Ruhe zu streben, und sich stets einzubilden, dass die Befriedigung, die sich nicht haben, ihnen zuteil werden wird, wenn sie einige Schwierigkeiten, die sie vor sich haben, überwinden und sie sich so das Tor zur Ruhe öffnen können.

So verströmt das ganze Leben. Man sucht die Ruhe, indem man einige Hindernisse bekämpft; und wenn man sie überwunden hat, wird die Ruhe unerträglich durch die Langeweile, die sie erzeugt.

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